Sonntag, 18. Februar 2007

Das tote Pferd

Eine Weisheit der Dakota-Indianer sagt: Wenn du entdeckst, dass du ein totes Pferd reitest, steig ab. Wann ist der Zeitpunkt gekommen, an dem man einen Kampf besser aufgibt? Wann sollte man Hoffnung begraben? Nicht umsonst heißt es ja „die Hoffnung stirbt zum Schluss“.

Wir Menschen neigen ja oftmals dazu, uns einige Situationen ‚schönzureden’. „Wirst sehen, im Job wird es bald bergauf gehen“, „dein Mann liebt dich von ganzem Herzen, wieso sollte er dich betrügen“, „das wird schon wieder“, „seine Ehe ist unglücklich, er wird sicher seine Frau für dich verlassen“ – solange wir nicht vor vollendete Tatsachen gesetzt werden, schützt uns ein bisschen Zweifel vor der grausamen Wahrheit. Und vielleicht hoffen wir ja auch, dass sich unser Problem, wenn wir einmal drüber geschlafen haben, von selbst in Luft auflöst. Leider tun dies Probleme in der Regel nicht, und irgendwann muss man sich damit auseinander setzten, und je länger man das Problem vor sich herschiebt, umso schmerzhafter wird diese Auseinandersetzung. Von dieser Seite her betrachtet wäre es sinnvoller, das Pflaster mit einem schnellen Ruck abzuziehen. Auf einer Zeitreihe betrachtet wächst die Hoffnung, je mehr Zeit man investiert.

Wenn man jemanden am Abend kennen gelernt hat und ihm die Telefonnummer gibt und er ruft nicht an, dann denkt man sich „Idiot“ und lässt die Sache auf sich beruhen. Hat man jemanden aber schon ein paar Mal getroffen und das Gefühl gehabt, dass Sympathie im Spiel ist, dann beginnt man zu hoffen, dass da vielleicht „mehr“ draus werden könnte. Und viele Frauen sind dann Meisterinnen im Erfinden von Gründen, warum er keine Zeit hat. Das wäre doch mal quasi ein Geheimtipp an die Herren: ruft im Bedarfsfall eure beste Freundin an und sagt ihr, dass ihr eine gute Begründung für dies-und-das braucht, sie wird euch sicher nicht im Stich lassen. Aber zurück zum Thema: in diesem Fall überlegt frau schon ziemlich lange, ob das Pferd nun tot ist oder nur schläft. Und verwendet Unmengen an Ressourcen, hauptsächlich in Form von neuen Klamotten, neuem Make-up und horrend vielen Handy-Gesprächsminuten, um diese Frage zu beantworten. Je nachdem, wie geduldig die Frau ist und wie süß der Mann, dauert es zwischen ein paar Tagen und einigen Wochen, bis sie dem Pferd den Totenschein ausstellt.

Aber eines Tages, da kommt McDreamy des Weges und sie lebten glücklich und zufrieden… Tun sie das wirklich? Irgendwann ist er nicht mehr so aufmerksam und sie beginnt zu hoffen, dass das nur eine Phase ist. Die Abende im Büro werden länger und die Geschäftsreisen werden häufiger, und sie hofft immer noch, dass in der Beziehung alles in Ordnung ist. Wenn er eines Tages seine Koffer endgültig packt und geht, steht sie vor den Scherben ihrer Beziehung und fragt sich, wie das nur hatte geschehen können. Die Hoffnung hat über einen langen Zeitraum den latenten Schmerz narkotisiert und sobald das Betäubungsmittel abrupt abgesetzt wird, treten die Schmerzen umso stärker auf.

Wann zahlt es sich aus, um etwas zu kämpfen? Nun, um eine noch nicht begonnene Beziehung zu kämpfen, wird die Mühe nicht lohnen: vielleicht findet er uns nett, aber halt nicht nett genug. Gefühle kann man weder herbeiwünschen noch erzwingen. Vielleicht muss man ab und zu einen Schritt zurück machen und aus etwas mehr Entfernung betrachten, ob alle Initiative nur von einer Seite gekommen ist. Wenn dem so ist, dann sollte man das Pferd vielleicht sanft entschlafen lassen.

Auch in einer bestehenden Beziehung sollte man überlegen: kämpfen beide um diese Beziehung oder verlangt einer vom anderen die Totalaufgabe seiner selbst, um die Beziehung aufrecht zu erhalten. Wenn mein Partner einen langen Forderungskatalog vorlegt, für den ich mich in alle Richtungen verbiegen muss, um ihn zu erfüllen, dann sollte man sich vielleicht überlegen, ob man dem toten Pferd gerade frisches Heu und einen neuen Sattel gekauft hat. Denn – wenn man alle Veränderungen wie gewünscht mitgemacht hat – ist man dann noch die Person, in die sich der Partner verliebt hat?

Ich will nun aber auch nicht propagieren, dass man sofort bei einem Anzeichen von Schwierigkeiten die Flinte ins Korn werfen soll – um etwas zu kämpfen ist gut und wichtig, sonst fällt es einem ja ohne Anstrengung in den Schoß und hat somit keinen oder nur geringen Wert. Man sollte aber im Kampf ab und zu innehalten und sich fragen „kämpfe ich noch für mich oder kämpfe ich schon gegen mich?“. Versuche ich, ein totes Pferd zu reiten?

Und wenn alle Stricke reißen, dann kann man ja immer noch zu dem Pferd gehen, es anstupsen und fragen „Du, Pferd, lebst du noch?“

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