Freitag, 23. Februar 2007

Gretchenfragen

Wer definiert, wann ein Paar ein Paar ist? Hängt es davon ab, wie oft man einander datet? Wie oft man miteinander telefoniert? Ob man sich küsst, Händchen hält oder miteinander schläft? Wann weiß man, dass man offiziell „vom Markt“ und mit jemandem "zusammen" ist?

Früher, in der Schule, war es einfach: da hat man während der Stunde einen Zettel zugeschoben bekommen, mit der Frage drauf „willst du mit mir gehen?“ und einem „ja“, einem „nein“ und einem „vielleicht“ zum Ankreuzen. Und wenn man „ja“ angekreuzt hatte, dann ging man mit dem Jungen, was soviel hieß, wie, dass man am Schulgang herumgeknutscht hat und miteinander Händchen gehalten hat. Wenn der Junge ganz besonders mutig war, hat er einen direkt gefragt und hat das mit dem Zettelchen ausgelassen – da war er dann ein wahrer Hero!

Für uns thirtysomethings ist die Sache nicht mehr so einfach: ab wann ist man liiert? Wenn man Sex and the City glauben mag, dann gibt es zur Beantwortung dieser Frage mehrere Möglichkeiten. These eins: Erst, wenn man das dritte gemeinsame Date überstanden hat, ist man ein Paar – selbst, wenn man nach dem ersten Date miteinander im Bett gelandet ist. These Nummer zwei besagt: man ist dann ein Paar, wenn man sich „exklusiv“ datet (also quasi „Dating-Monogamie“). These Nummer drei lautet: Solange er nicht „ich liebe dich“ gesagt hat, bist du frei wie ein Vogel. Bleibt immer noch die knifflige Problemstellung, wie man herausfindet, welcher These der Mann der Träume wohl Glauben schenken mag...

Nun ja, nachdem wir in good old Europe nicht alles kommentarlos importieren wollen, was sich die Amerikaner so ausdenken... versuchen wir es noch einmal: ab wann könnte man ein Paar sein?

Gerade zum Beginn, wenn alles noch so neu und so unbekannt ist und man den Anderen noch nicht so gut kennt und nicht einschätzen kann, ist man natürlich unsicher. Einerseits möchte man der ganzen Welt entgegenjubilieren „ich bin verliebt“ und „dieser Mensch gehört nun fix zu mir“, andererseits hat man Angst, dass sich der Andere dadurch eingeengt und unter Druck gesetzt fühlt, man legt jedes Wort auf die Goldwaage und hofft, dass man sich nicht den entscheidenden Faux-pas geleistet hat und am Ende des Tages doch wieder alleine dasteht.

Die heutige Zeit ist aber auch – beziehungstechnisch betrachtet - kompliziert und verwirrend: one-night-stands, more-night-stands, Affären, Sexbeziehungen und Kuschelfreundschaften (was immer das sein mag), kombiniert mit einer zunehmenden Beziehungsmüdigkeit aller Beteiligten und der Tatsache, dass man doch an lieb gewonnenen Gewohnheiten hängt und die eigene Freiheit nicht beschneiden lassen möchte – selbst, wenn man jemanden öfters als einmal datet, hat frau immer noch das Gefühl, Single zu sein. Es kann aber andererseits auch nicht der Fall sein, dass man erst dann offiziell Ex-Single ist, wenn man die Wohnungsschlüssel getauscht, die Familie des Anderen kennen gelernt hat oder überhaupt zusammenzieht. Wo ist der missing link geblieben?

Andererseits: ist es überhaupt relevant, dass ich das Prädikat „Freundin/Lebensabschnittspartnerin/Frau von XY“ aufgedrückt bekomme? Sind wir Frauen es so gewohnt, uns über fixe Beziehungen zu definieren, dass wir dabei ganz übersehen, dass wir eigenständige Persönlichkeiten sind? Bin ich ohne meine „bessere Hälfte“ unvollkommen oder gar fehlerhaft?

Ich denke, der Wunsch, sich offiziell als Teil einer „Beziehung“ zu deklarieren ist darin begründet, dass wir Menschen immer auf der Suche nach Sicherheit sind. Und es klingt einfach „fixer“, wenn ich von einem Mann behaupten kann „das ist mein Freund“ und ihm damit ein imaginäres Brandzeichen aufdrücke, als wenn ich sage „ich date jemanden regelmäßig“ oder „ich schlafe mit jemandem“. Andererseits sehe ich, dass diese Sicherheit, die eine „fixe Beziehung“ bietet, eine trügerische ist. Auch in einer deklarierten festen Beziehung bin ich nicht davor gefeit, dass der Mann an meiner Seite mich belügt, mich betrügt oder einfach eines Tages feststellt, dass wir uns auseinander entwickelt haben. Der Begriff „Beziehung“ befreit nicht davor, dass beide täglich an dieser Beziehung arbeiten. Und wenn man erkannt hat, dass man einen Menschen nicht mittels eines Begriffes an sich ketten kann, ist es eigentlich auch unerheblich, ob man für sich selbst sagt „ich bin Single“ oder „ich habe einen Freund“.

Abgesehen davon: als ich 17 war, hatte ich einen Freund. Jetzt mit 30+ finde ich diesen Begriff für mich nicht mehr wirklich passend. Und mir rollen sich – metaphorisch gesprochen – die Zehennägel auf, wenn ich jemanden als den „Lebensabschnittspartner“ von jemandem anderen vorgestellt bekomme – das ist irgendwie nichts Halbes und nichts Ganzes, schlichtweg, weil es die Trennung, die mit größtanzunehmender Wahrscheinlichkeit kommen wird (wenn schon die Scheidungsquote in Großstädten bei über 50 % liegt, wie hoch ist dann die Trennungsquote unter Paaren, die nicht den Gang zum Standesamt beschreiten?) quasi vorwegnimmt und somit in sich schon den Hang zur selbst erfüllenden Prophezeiung hat (denn wenn man annehmen würde, dass es ewig hält, könnte man ja die Eheschließung wagen). Ich habe somit für mich beschlossen, dass ich – solange niemand mit Kniefall und Tiffany-Ring um meine Hand anhält – auf Begriffsdefinitionen schlichtweg pfeifen werde.

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