Mittwoch, 7. März 2007

Gewohnheiten

Beziehungen haben unbestritten viele Vorteile: man hat Gesellschaft, teilt Freud’ und Leid mit einem geliebten Menschen, fühlt sich geliebt und geborgen – es ist einfach alles Liebe, Wonne, Waschtrog. Und doch gibt es einen entscheidenden Nachteil an Beziehungen: man ist quasi gezwungen, Kompromisse einzugehen und muss auf den Menschen an seiner Seite Rücksicht nehmen. Somit ist der unbestrittene Vorteil als Single: man kann tun und lassen, was man möchte!

Wenn man zum ersten Mal im Leben alleine lebt, ist alles neu und aufregend und – zugegeben – ungewohnt und manchmal auch ein kleines Bisschen gruselig. Aber mit der Zeit kommt man auf den Geschmack und entwickelt seine ganz persönlichen Angewohnheiten und Schrulligkeiten. Und entdeckt das eigene geheime Singleverhalten.

Das GSV ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich stark ausgeprägt. Ich z.B. möchte in der Früh einen Radio laufen lassen, wo ich mich berieseln lassen kann und halbstündlich Nachrichten und – ganz wichtig – Wetterbericht laufen. Welche Art von Musik dabei läuft, ist mir wiederum völlig egal, einzig den Callboy von Ö3 ertrage ich morgens vor dem zweiten Kaffee nicht – gibt es irgendjemanden, der den Typen witzig findet? Ich finde ihn einfach nur nervtötend… Aber ansonsten genieße ich die Ruhe in der Früh, wenn ich eine halbe Stunde lang in mein Kaffeehäferl starre und mir wünsche „wirke… jetzt…“! Und ich bin gewohnt, dass ich morgens lange dusche, mein Haar wasche und es danach style. Dazu gehört auch, dass ich rund ½ Stunde mit Lockenwicklern am Kopf durch die Wohnung laufe – und ich rate jedem Anwesenden, sich dazu halblustige Kommentare zu ersparen, die ertrage ich auch erst nach dem zweiten Kaffee.

Richtig grantig werde ich, wenn morgens schon der Fernseher läuft. Nur im äußersten Notfall, wenn eine mittlere Katastrophe eintritt und man auf eine Dauer-ZiB hoffen kann, wird die Kiste auch in der Früh eingeschaltet, aber das ist die absolute Ausnahme, nicht die Regel. Frühstücksfernsehen? Das wurde nicht für mich erfunden.

Der Morgen läuft somit zumeist genormt ab (wahrscheinlich, um die Verletzungsgefahr am Morgen zu minimieren) und ich genieße meine Morgenmuffeligkeit, wo ich meine Ruhe vor der Welt habe und entspannt „Mensch werden“ kann.

Ähnlich genormte Verhaltensweisen lege ich am Abend an den Tag. Wenn ich nachhause komme, schalte ich den Fernseher und den Computer ein. Ersteres, um mich berieseln zu lassen, letzteres, um meine mails zu checken und mich in den diversesten Foren, in denen ich mich dann und wann herumtreibe, auf den letzten Stand zu bringen. Je nachdem, wie viele mails zu beantworten sind und wie viele Threads gelesen werden möchten, kann das durchaus eine Stunde oder auch länger dauern. Diese Stunde benötige ich aber, um ein bisschen von meinem Arbeitstag herunterzukommen – man kann es auch als mein persönliches defrag-Programm betrachten, mit dem ich mich auf meinen Feierabend-Status resette. Erst danach bin ich wieder für andere Dinge zu gebrauchen.

Ein anderer wichtiger Punkt ist das geheime Singleeinkaufsverhalten – sogar die Marktforschung hat schon den SINKY definiert (Single Income No Kids). Mit dem Inhalt meines Kühlschrankes gewinne ich mit Sicherheit keinen Preis für bewusste Ernährung: eine Flasche Vodka, eine Flasche Weißwein, eine Packung Sojamilch. Beim Rest sollte man lieber einen kritischen Check machen, bevor man es anfasst, so in die Richtung: lebst du schon? Und wenn ja: beißt du? Mit dem Kühlschrank schaffe ich es somit nicht in die nächste Ausgabe von „Schöner Wohnen“, aber dafür ist der Inhalt meines Schuhschrankes absolut sehenswert. Und ich genieße es unendlich, dass ich mich vor niemandem für das vierte Paar schwarze Pumps rechtfertigen muss. Und ich bin auch Anhängerin der Meinung, dass man nie genug weiße Blusen und weiße T-Shirts haben kann. Und auch der Fundus an Pashmina-Schals und Handtaschen ist gut bestückt.

Das Gleiche gilt für mein Badezimmer. Ja, ich weiß, Männern genügt Zahnpasta, eine Zahnbürste, ein Rasierer plus Schaum sowie ein Duschbad (bevorzugterweise ein all-in-one-Produkt, mit dem mann auch gleich Haare waschen kann). Dazu ein Duftwässerchen und vielleicht noch ein Deo, und das war’s. Bei einem Blick in mein Badezimmer hat ein Mann mal gemeint „ich hab’ noch nie eine Frau mit so vielen Tiegeln gesehen, die sie auch alle verwendet!“ – und wir sprechen hier rein von der pflegenden, nicht von der dekorativen Kosmetik. Ich finde da aber auch nichts Verwerfliches daran, ich pflege mich gerne und achte auf mein Äußeres, was soll also schlimm daran sein?

… mit einem geübt-selbstkritischen Blick betrachte ich nun noch einmal alle Bestandteile meines geheimen Singleverhaltens und frage mich „bin ich überhaupt je wieder resozialisierbar?“. Mit den Macken (und ich bin sicher, dass ich einige vergessen habe - oder bewusst ausgelassen...) muss ich mir ja „schwer vermittelbar“ auf die Stirn tätowieren lassen…

Als grenzenloser Optimist bin ich dennoch zuversichtlich. Gewiss, ich bin sicher nicht unkompliziert im Umgang, und ein Mann müsste sich nicht nur einen Platz in meinem Herzen, sondern auch in meinem Schrank erobern (fragt sich, was schwieriger ist…). Meredith Brooks formuliert es in einem Song sehr treffend „so take me as I am, this may mean you’ll have to be a stronger man…“ – und dem kann frau eigentlich nichts mehr hinzufügen.

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