Montag, 30. Juli 2007

Alles wird gut!

Es gibt einige Menschen, von denen ich mir denke, dass sie deshalb unter uns weilen, um mich zu nerven - tierisch zu nerven… Diese Zeitgenossen sind für mich das berühmte „rote Tuch“, kaum, dass sie mir unter die Augen kommen und den Mund aufmachen, beginne ich mit den Augen zu rollen, verliere meine übliche Gelassenheit und kann mich über die kleinste Kleinigkeit so dermaßen echauffieren, bis ich aus der berühmten Mücke eine ganze Elefantenherde gemacht habe. Mag sein, dass ich diese Menschen aus einem Grund nicht leiden kann – weil sie meine allernegativsten Seiten nach oben kehren, und wenn ich ehrlich bin, muss ich gestehen, dass ich mich selbst nicht sonderlich mag, wenn ich Gift und Galle spucke. Und da ich so ungern bis aufs Blut gereizt werde, gehe ich diesen Menschen vorsorglich aus dem Weg.

Einer dieser Menschen ist ein ehemaliger Unilektor von mir, der von uns Studenten den Spitznamen „Gummibärchen“ verpasst bekommen hat. Weniger, weil er so süß ist wie ein Gummibärchen, sondern vielmehr, weil man sich tierisch daran den Magen verderben kann. Ich habe das Gummibärchen hassen gelernt, als er eine meiner Seminararbeiten mit „nicht genügend“ beurteilt hat. Ich bin daraufhin brav in seine Sprechstunde gepilgert und habe versucht, herauszufinden, woran ich so massiv gescheitert bin. Das Gummibärchen hat zunächst eine halbe Stunde lang heiße Luft von sich gegeben, ich habe immer weiter nachgehakt und irgendwann meinte er „naja, Sie haben mit Fußnoten zitiert“. Ja, und wo ist das Problem? „Ja, wissen Sie, das ist hier ein k.o.-Kriterium“. Gut, wie würde die Arbeit aussehen, wenn ich richtig zitiert hätte? „Ja, wissen Sie, das kann ich jetzt so nicht sagen, weil ja durch die Tatsache, dass Sie falsch zitiert haben, die Arbeit von vornherein ‚negativ’ ist…“

Wie kann man mit so vielen Worten nur so wenig Info von sich geben? Ich bin wutschnaubend aus der Sprechstunde abgedampft – eine dreiviertel Stunde wertvoller Zeit verplempert, die Information „Sie haben sich nicht an die Zitiervorschriften gehalten, deshalb sind Sie negativ“ hätte er auch in fünf Minuten loswerden können. Ich habe dann auch kein Herzblut in die Korrektur der Arbeit gelegt, sondern habe lediglich die Fußnoten durch Klammerverweise ersetzt, ansonsten habe ich die Arbeit wortident abgegeben – und habe eigentlich mit einem „genügend“ gerechnet und habe mich geärgert, dass ich mir dadurch den Notendurchschnitt versiebt habe. Aber zu meiner großen Überraschung habe daraufhin ein „sehr gut“ mit voller Punkteanzahl auf die Arbeit bekommen. Von diesem Augenblick an war ich felsenfest überzeugt, dass das Gummibärchen schlichtweg ein Vollidiot ist, der nur deshalb auf „meiner“ Uni herumhängt, um mir persönlich das Leben schwer zu machen. Und bin jedes Mal hochgegangen, wenn ich ihn gesehen habe.

Das Gummibärchen hat uns auch auf die Diplomprüfungen vorbereitet. Zwei Wochenenden lang waren wir mit ihm in einen Hörsaal eingepfercht, er hat vorne Belanglosigkeiten vorgetragen, wir haben uns hinten mörderisch gelangweilt. Eine Flucht war allerdings auch nicht möglich, da er nach jeder Pause die Anwesenheit kontrolliert hat. Also blieb nur „aussitzen“, und wir haben das insoweit versucht, als wir uns mit „Schifferl versenken“ und „Diplomarbeit korrekturlesen“ still beschäftigt haben. Dennoch waren diese Vorbereitungsstunden unglaublich öde und in unseren Augen schlichtweg unnötig.

Irgendwann beginnt unser Gummibärchen mit einem Beispiel, was in dieser Art noch nie durchgenommen wurde. Das führte natürlich zu einer mittleren Revolution auf den hinteren Rängen. Alle Studenten beginnen sich lautstark darüber aufzuregen, dass es so wohl nicht geht, dass man nicht Dinge prüfen kann, die während des gesamten Studiums noch nicht vorgekommen sind. Das Gummibärchen wartet geduldig ab, bis der ärgste Tumult abgeebbt ist, beginnt zu lächeln und sagt „Bitte bleiben Sie ruhig, ich kann Ihnen eines versprechen: alles wird gut!“. Ich hebe den Kopf, nachdem dieser Satz gefallen ist, und beginne zu grübeln. Kann es sein, dass dieses blinde Huhn gerade sein Korn gefunden hat? Dass er deshalb unsere Nerven strapaziert hat, weil es seine Aufgabe war, uns diesen einen Satz zu schenken? Kann es sein, dass das Gummibärchen doch eine Seele hat?

Nicht, dass die Diplomprüfungsvorbereitung für die eigentliche Diplomprüfung irgendetwas gebracht hätte – es sind nämlich komplett andere Beispiele gekommen, aber alleine der Satz „alles wird gut“ hat uns damals etwas milder gestimmt – weniger, weil wir die Diplomprüfung geschenkt bekommen haben, sondern vielmehr, weil uns dieser Satz den Glauben daran zurück gegeben hat, dass es das Universum sicher gut mit uns meint, und dass die vier Jahre Plackerei sicher nicht umsonst gewesen sind.

Auch nach dem Ende des Studiums ist der Satz „alles wird gut“ im Umkreis meiner Studienkollegen nach wie vor im Umlauf. Wenn einer einen schlechten Tag hat, bekommt er mit Sicherheit ein mail mit den Worten „was würde das Gummibärchen jetzt sagen? Alles wird gut!“ – und mit dieser Floskel geht es mir jedes Mal besser, mehr noch – ich beginne immer zu lächeln.

Und ich verwende diesen Satz auch gerne bei Nicht-Studienkollegen, auch wenn diese den Insider-Schmäh nicht immer verstehen. Aber ich rede mir dennoch ein, dass sie sich auch freuen, wenn ich ihnen diesen Satz schenke.

In diesem Sinne an alle, die heute gerade einen superbesch…eidenen Tag haben: das Gummibärchen würde in diesem Fall sagen „alles wird gut“ – und ich bin seiner Meinung.

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