Vienna
Ja, ich liebe das Internet. Nicht nur, es Unmengen an Wissen vermittelt, hat es noch einen weiteren Vorteil: man lernt die tollsten Leute kennen. Und nein, ich spreche jetzt nicht von Online-Singlebörsen – an die habe ich nie wirklich geglaubt, und nach einem mehrmonatigen Probelauf habe ich mein Profil bei einer Singlebörse deaktiviert. Ich spreche von Internet-Foren.
Es gibt zu allen möglichen und unmöglichen Themen Internetforen: Fernsehserien, Musiker, Ernährung, … die Palette ist schier endlos. Und der große Vorteil ist: wenn man sich ein fachspezifisches Forum ausgesucht hat, dann hat man den Vorteil, dass man dort mit Gleichgesinnten diskutieren kann. Und da man mit diesen Leuten doch regelmäßig diskutiert oder tratscht, hat man oft auch das Bedürfnis, diese Personen „in real life“ kennen zu lernen. Nun, in Wien selbst ist das ja kein Problem, und die Wiener, die sich in denselben Foren wie ich herumtreiben, veranstalten in unregelmäßigen Abständen Forentreffen. Wenn die User aber über das gesamte deutschsprachige Gebiet verteilt sind, wird es zugegeben etwas schwieriger.
Vor einigen Wochen bekomme ich von einem Forumsbekannten aus Deutschland ein kurzes Mail „Hi Julia, ich bin Ende September für ein paar Tage in Wien, hast du Zeit und Lust, mit mir auf einen Kaffee zu gehen.“ Na klar hab ich Lust. Aber wieso sollte man nur auf einen Kaffee gehen, wenn man doch eine ordentliche Sightseeing-Tour veranstalten könnte. Also schreibe ich zurück „ja freilich, sehr gern, aber wenn du magst, biete ich mich auch als Stadtführerin an“. Sascha ist begeistert, und mailt mir zurück „ich nehme das Angebot dankend an, als Soziologe interessieren mich die Menschen ohnehin mehr als die Gebäude, also zeig mir doch einfach ‚dein’ Wien.“.
Ähm, ja… meinen Plan von „eine Runde durch die Innenstadt“, mit Besichtigung von Stephanskirche, Hofburg, Museen und vielleicht noch einen Abstecher nach Schönbrunn kann ich mir somit offiziell aufzeichnen. Himmel, wie kann ich ihm die „Wiener Mentalität“ nur nahe bringen? Wie meine Liebe zu dieser großartigen Stadt vermitteln, ohne dass es lächerlich wirkt?
Ich weiß gar nicht, wie lange ich Sascha schon virtuell kenne – es sind sicher schon vier Jahre, wenn es nicht schon länger ist. Wir haben immer losen Mailkontakt gehalten, er hat mir aufmunternde mails geschickt, als ich mich vor über drei Jahren von meinem damaligen Freund getrennt habe, ich habe Gratulationsmails geschickt, als er vor einem halben Jahr geheiratet hat. Und selbst, wenn wir mal ein Jahr lang keinen Kontakt haben, ist es auch kein Drama – es ist unkompliziert und man ist auch befreundet, wenn man sich nicht wöchentlich Belanglosigkeiten schickt. Deshalb finde ich es ungemein aufregend, dass wir uns „in echt“ kennen lernen. Ja, gewiss, man kennt einander von Fotos, aber man weiß nicht, wie die Stimme des anderen klingt, und ob man groß ist oder nur auf dem Bild groß wirkt.
Mein Problem aber ist immer noch: wie bringe ich einem Deutschen Wien nahe – so, dass er genauso in „mein Wien“ verliebt ist wie ich? Schwierig… ich beschließe also, Sascha all jene Dinge zu zeigen, die einem Wiener wichtig sind – soweit man das in einen knappen Nachmittag hineinpacken kann.
Was aber sind die Dinge, die einem Wiener wichtig sind? Nun ja, man behauptet ja gemeinhin über uns: als Kind wollen wir Sängerknabe werden, später dann Lippizaner, und am Schluss wollen wir „a scheene Leich’“ haben. Ja klar, warum denn eigentlich nicht…
Lisa und ich klauben Sascha an einem strahlenden Altweibersommertag auf – Lisa ist sich zwar etwas unsicher, ob wir ihn sofort finden werden, aber schließlich bin ich ja schon blinddate-erfahren. Sascha ist zwar etwas kleiner, als er auf Fotos wirkt, aber auch, wenn wir einander vorher noch nie zuvor gesehen haben, begrüßen wir uns wie jahrelange Freunde. Und viel von Wien hat er auch noch nicht gesehen, also dann geh' ma's an…
Unsere erste Station führt uns zu Tor 2 vom Wiener Zentralfriedhof. Da ist ein Großteil der Ehrengräber und die Präsidentengruft – dank Google bin ich auch gut gewappnet und könnte gut und gern ½ Stunde referieren. Als wir das Friedhofsgelände betreten, bin ich etwas überrascht: auch wenn ich zuvor schon erwähnt habe, dass wir Wiener ein geschäftstüchtiges Völkchen sind, aber… es gibt Ehrengrab-Führungen! Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen… Ich brauche relativ lang, um mich von dieser Überraschung wieder rückstandsfrei zu erholen und nehme an, dass all die honoren Herrschaften, die da im Rahmen der Friedhofstour gezeigt werden, in ihren Ehrengräbern rotieren.
Was ist dem Wiener noch wichtig im Leben? Natürlich ein g’scheits Papperl… und aus diesem Grund steht als Nächstes ein Besuch am Wiener Naschmarkt am Programm. Sascha ist von dem Angebot und der Vielfalt begeistert und schwört Stein und Bein, dass es so etwas in Deutschland nicht gibt. Als nächstes hüpfen wir in die U4 und fahren zum Karlsplatz. In der Innenstadt machen wir einen kurzen Abstecher in die Kapuzinergruft, um Sisi und Franzl einen kurzen Besuch abzustatten, danach wird die Wiener Caféhauskultur untersucht. Und wo könnte man das Authentischer machen als hier:
Und auch, wenn Herr Leopold selbst nicht mehr hinter der Budl steht, ist das Flair vom Hawelka unverkennbar. Das Lokal ist nach wie vor verraucht, bummvoll, der Tisch wackelt immer ein bissl, und es ist einfach urgemütlich. Hier kann man einen Nachmittag mit ein paar Zeitungen und ständigem Kaffeenachschub durchaus verbringen. Ich versuche auch, Sascha in das Geheimnis des Wiener Kaffee's einzuweihen: "Wenn du einen kleinen Espresso willst, musst du einen 'kleinen Schwarzen' verlangen. Ein großer Espresso ist demnach ein 'großer Schwarzer'. Einen kleinen Schwarzen mit einem Schuss Milch nennt man 'kleiner Brauner', einen großen Schwarzen mit etwas Milch 'großer Brauner'. Ein kleiner Espresso mit viel Milch und einem Milchschaumhauberl ist eine 'Melange' und ein kleiner Espresso, der mit Wasser gestreckt wird, ist ein 'Verlängerter'". Die Feinheiten wie Kapuziner, Einspänner und Co. lasse ich vorsorglich mal weg - das muss an Auswahl reichen.
Danach strandeln wir noch ein bissl über den Graben und plaudern über dies und das. Sascha ist von meiner Stadtführung übrigens begeistert – mich freut’s, dass ich ihm damit eine Freude gemacht habe, und bin stolz, dass es nun einen Menschen mehr auf dieser Welt gibt, der meine Leidenschaft für Wien teilt.
Es gibt zu allen möglichen und unmöglichen Themen Internetforen: Fernsehserien, Musiker, Ernährung, … die Palette ist schier endlos. Und der große Vorteil ist: wenn man sich ein fachspezifisches Forum ausgesucht hat, dann hat man den Vorteil, dass man dort mit Gleichgesinnten diskutieren kann. Und da man mit diesen Leuten doch regelmäßig diskutiert oder tratscht, hat man oft auch das Bedürfnis, diese Personen „in real life“ kennen zu lernen. Nun, in Wien selbst ist das ja kein Problem, und die Wiener, die sich in denselben Foren wie ich herumtreiben, veranstalten in unregelmäßigen Abständen Forentreffen. Wenn die User aber über das gesamte deutschsprachige Gebiet verteilt sind, wird es zugegeben etwas schwieriger.
Vor einigen Wochen bekomme ich von einem Forumsbekannten aus Deutschland ein kurzes Mail „Hi Julia, ich bin Ende September für ein paar Tage in Wien, hast du Zeit und Lust, mit mir auf einen Kaffee zu gehen.“ Na klar hab ich Lust. Aber wieso sollte man nur auf einen Kaffee gehen, wenn man doch eine ordentliche Sightseeing-Tour veranstalten könnte. Also schreibe ich zurück „ja freilich, sehr gern, aber wenn du magst, biete ich mich auch als Stadtführerin an“. Sascha ist begeistert, und mailt mir zurück „ich nehme das Angebot dankend an, als Soziologe interessieren mich die Menschen ohnehin mehr als die Gebäude, also zeig mir doch einfach ‚dein’ Wien.“.
Ähm, ja… meinen Plan von „eine Runde durch die Innenstadt“, mit Besichtigung von Stephanskirche, Hofburg, Museen und vielleicht noch einen Abstecher nach Schönbrunn kann ich mir somit offiziell aufzeichnen. Himmel, wie kann ich ihm die „Wiener Mentalität“ nur nahe bringen? Wie meine Liebe zu dieser großartigen Stadt vermitteln, ohne dass es lächerlich wirkt?
Ich weiß gar nicht, wie lange ich Sascha schon virtuell kenne – es sind sicher schon vier Jahre, wenn es nicht schon länger ist. Wir haben immer losen Mailkontakt gehalten, er hat mir aufmunternde mails geschickt, als ich mich vor über drei Jahren von meinem damaligen Freund getrennt habe, ich habe Gratulationsmails geschickt, als er vor einem halben Jahr geheiratet hat. Und selbst, wenn wir mal ein Jahr lang keinen Kontakt haben, ist es auch kein Drama – es ist unkompliziert und man ist auch befreundet, wenn man sich nicht wöchentlich Belanglosigkeiten schickt. Deshalb finde ich es ungemein aufregend, dass wir uns „in echt“ kennen lernen. Ja, gewiss, man kennt einander von Fotos, aber man weiß nicht, wie die Stimme des anderen klingt, und ob man groß ist oder nur auf dem Bild groß wirkt.
Mein Problem aber ist immer noch: wie bringe ich einem Deutschen Wien nahe – so, dass er genauso in „mein Wien“ verliebt ist wie ich? Schwierig… ich beschließe also, Sascha all jene Dinge zu zeigen, die einem Wiener wichtig sind – soweit man das in einen knappen Nachmittag hineinpacken kann.
Was aber sind die Dinge, die einem Wiener wichtig sind? Nun ja, man behauptet ja gemeinhin über uns: als Kind wollen wir Sängerknabe werden, später dann Lippizaner, und am Schluss wollen wir „a scheene Leich’“ haben. Ja klar, warum denn eigentlich nicht…
Lisa und ich klauben Sascha an einem strahlenden Altweibersommertag auf – Lisa ist sich zwar etwas unsicher, ob wir ihn sofort finden werden, aber schließlich bin ich ja schon blinddate-erfahren. Sascha ist zwar etwas kleiner, als er auf Fotos wirkt, aber auch, wenn wir einander vorher noch nie zuvor gesehen haben, begrüßen wir uns wie jahrelange Freunde. Und viel von Wien hat er auch noch nicht gesehen, also dann geh' ma's an…
Unsere erste Station führt uns zu Tor 2 vom Wiener Zentralfriedhof. Da ist ein Großteil der Ehrengräber und die Präsidentengruft – dank Google bin ich auch gut gewappnet und könnte gut und gern ½ Stunde referieren. Als wir das Friedhofsgelände betreten, bin ich etwas überrascht: auch wenn ich zuvor schon erwähnt habe, dass wir Wiener ein geschäftstüchtiges Völkchen sind, aber… es gibt Ehrengrab-Führungen! Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen… Ich brauche relativ lang, um mich von dieser Überraschung wieder rückstandsfrei zu erholen und nehme an, dass all die honoren Herrschaften, die da im Rahmen der Friedhofstour gezeigt werden, in ihren Ehrengräbern rotieren.
Was ist dem Wiener noch wichtig im Leben? Natürlich ein g’scheits Papperl… und aus diesem Grund steht als Nächstes ein Besuch am Wiener Naschmarkt am Programm. Sascha ist von dem Angebot und der Vielfalt begeistert und schwört Stein und Bein, dass es so etwas in Deutschland nicht gibt. Als nächstes hüpfen wir in die U4 und fahren zum Karlsplatz. In der Innenstadt machen wir einen kurzen Abstecher in die Kapuzinergruft, um Sisi und Franzl einen kurzen Besuch abzustatten, danach wird die Wiener Caféhauskultur untersucht. Und wo könnte man das Authentischer machen als hier:
Und auch, wenn Herr Leopold selbst nicht mehr hinter der Budl steht, ist das Flair vom Hawelka unverkennbar. Das Lokal ist nach wie vor verraucht, bummvoll, der Tisch wackelt immer ein bissl, und es ist einfach urgemütlich. Hier kann man einen Nachmittag mit ein paar Zeitungen und ständigem Kaffeenachschub durchaus verbringen. Ich versuche auch, Sascha in das Geheimnis des Wiener Kaffee's einzuweihen: "Wenn du einen kleinen Espresso willst, musst du einen 'kleinen Schwarzen' verlangen. Ein großer Espresso ist demnach ein 'großer Schwarzer'. Einen kleinen Schwarzen mit einem Schuss Milch nennt man 'kleiner Brauner', einen großen Schwarzen mit etwas Milch 'großer Brauner'. Ein kleiner Espresso mit viel Milch und einem Milchschaumhauberl ist eine 'Melange' und ein kleiner Espresso, der mit Wasser gestreckt wird, ist ein 'Verlängerter'". Die Feinheiten wie Kapuziner, Einspänner und Co. lasse ich vorsorglich mal weg - das muss an Auswahl reichen.
Danach strandeln wir noch ein bissl über den Graben und plaudern über dies und das. Sascha ist von meiner Stadtführung übrigens begeistert – mich freut’s, dass ich ihm damit eine Freude gemacht habe, und bin stolz, dass es nun einen Menschen mehr auf dieser Welt gibt, der meine Leidenschaft für Wien teilt.
drewshine - 27. Sep, 22:17