Samstag, 27. Januar 2007

Feste feiern...

Ein, zweimal im Jahr kommt es vor, dass ich am Morgen mit einem kleinen Lied auf den Lippen erwache: „Ich wach auf am Nachmittag, der Sodbrand ist enorm. Ja, gestern war ich wieder gut in Form… Im Gaumen sitzt der Beelzebub, das Aug’ ist dunkelrot, die Hypophyse spielt das Lied vom Tod… Und während ich mich übergeb’, schwör’ ich mir ferngesteuert – sofern den Tag ich überleb – es wird nie mehr gefeiert…“

Himmel, ist mir vielleicht schlecht… Ich liege im Bett, versuche mich zu orientieren und mache halb besinnungslos eine kurze Bestandsaufnahme: der Kopf nimmt jede Lageänderung sehr krumm und kommentiert dies mit einem dröhnenden Schmerz. Der Magen heult mit den Wölfen, und der Geschmack im Hals… da gibt es ja den geflügelten Spruch „als ob ein Hamster dort verreckt wäre“. Das war kein Hamster, das war ein Hamster samt seiner gesamten Sippschaft, sie waren alle räudig und ihr Todeskampf muss lange und sehr bitter gewesen sein. In diesem Augenblick überlege ich mir, wie vorteilhaft nun eine Beziehung wäre: ich könnte jammern und würde bemitleidet, ein lieber Mensch kocht mir pausenlos Kamillentee und besorgt Zwieback, damit ich was zum Bröseln habe und reicht mir liebevoll die Großpackung Kopfschmerztabletten bzw den Putzeimer… Wir Singlefrauen haben es da unendlich schwieriger – Mitleid redet uns nur das Spiegelbild zu, den Kamillentee bekommen wir gar nicht, weil wir ihn erst besorgen müssten (ebenso den Zwieback), die Kopfschmerztabletten sind im höchsten Regal in der Wohnung (und mit dem Restalkoholgehalt klettern gehen? Ganz schlechte Idee…) und die Haare sollte frau sich sicherheitshalber mit einem Haarband zurückstreifen, denn da ist niemand, der sie im Fall des Falles aus dem Gesicht halten könnte… Aber Probleme sind dazu da, um sie zu lösen (aber lieber nicht in Alkohol), stellt sich die Frage: wie bin ich in diese Situation gekommen?

Ein besonders lieber Mensch in meinem Leben feiert Geburtstag. Und wie es sich für so einen Anlass gehört, geht man feiern, in unserem Fall in ein stylishes Weinlokal in der Innenstadt. Die Runde wird größer, alles nette Menschen, mit denen man schon viel Zeit verbracht hat und viel gefeiert hat. Man sitzt beieinander, plaudert, trinkt ein Gläschen, plaudert, trinkt ein Gläschen… Einige von uns haben Geschenke mitgebracht, die das Geburtstagskind auspacken darf. Geschenk auspacken, Geburtstagskind hochleben lassen, anstoßen, trinken, Geschenk herumreichen, bewundern, kurz einen Schluck trinken, Geschenk weiterreichen, wieder trinken. Das Tageshighlight unter den Geschenken war ein kleiner Stress-Ball. Diese Dinger sind sehr praktisch, weil man munter auf sie einschlagen kann, ihnen unpassende Namen geben kann und einfach die geballte Wut an ihnen auslassen kann. Das ist doch gelebte political correctness! Dieser Stress-Ball ist noch dazu sehr putzig und sieht aus wie „Barba-Mama“ von den Barbapapas. Wir reichen Barba-Mama reihum, und da wir schon einiges an Wein intus haben, ist die Assoziation nahe, dass dieser Stress-Ball eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Beckenbodentrainer hat.

Vom Beckenbodentrainer ist es nur noch ein kurzer Weg, um auf das Thema Dildos und Vibratoren zu kommen, inklusive Vor- und Nachteile der einzelnen Modelle. Die Männer am Tisch beginnen von ihrer wilden Jugend zu erzählen und auf wie vielen Bartresen sie im Laufe ihres Lebens schon gestrippt haben, die Stimmung steigt von Glas zu Glas und das Niveau sinkt unaufhaltsam. Mein Sitznachbar bemerkt mein Bettelarmband, das unter Anderem von einem entzückenden Paar Handschellen geziert wird und fragt mit einem bedeutungsvollen Grinsen im Gesicht, ob diese Handschellen wohl auf eine gewisse Neigung hinweisen. Da ich schon gut eine Flasche Wein intus habe, bekommt mein Nachbar für diese Frage keine gescheuert, sondern die Antwort „das soll mich jeden Tag an meine Wünsche erinnern, die ich mir noch erfüllen möchte“. Er zwinkert mir bedeutungsvoll zu und meint „solltest du bald mal ausprobieren – ist sehr schön…“

Die Runde wird kleiner und kleiner und wir sind mittlerweile bei den One-night-stand Erfahrungen gelandet und den Vor- und Nachteilen einiger Sexpraktiken. Das Thema macht durstig, wir trinken eifrig weiter. Die Oenologen unter uns meinen, dass es eigentlich ein Verbrechen ist, was wir mit den guten Tropfen da machen, in dem Zustand, in dem wir uns befinden, wäre es doch wesentlich sinnvoller, den Wein aus dem Tetrapack zu vernichten – wir sind ohnehin nicht mehr in der Lage, einen Unterschied zu schmecken. Wenn schon untergehen, dann teuer und mit Stil, beschließen wir – und kippen noch ein Achterl. Jemand ordert Zigarren für den Tisch, ich maule, wie sehr ich doch den Geruch von Zigarren hasse, der Zigarrenraucher meint „und, schon mal gekostet?“. Nein, natürlich nicht, und mit etwas weniger Alkohol im Blut wäre mir bewusst gewesen: bloß nicht auch noch rauchen, denn nur trinken bringt Kopfschmerzen am nächsten Tag, aber Alkohol in Kombination mit Rauchen, das führt zu einer zweitägigen Übelkeit, die durchaus biblische Ausmaße annehmen kann. Aber die Vernunft ist vor rund 2 Stunden bewusstlos geworden, also…

Irgendwann stellen wir fest, dass die Sperrstunde schon lange überschritten ist, die Zigarren ausgepafft sind und endlich der Wein soweit dezimiert ist, dass man den Rest getrost stehen lassen kann, ohne das Gefühl zu haben, etwas Wesentliches verpasst zu haben. Wir verlassen schwankend das Lokal und suchen uns den nächsten McDonalds, um noch etwas Festes zu uns zu nehmen. Irgendwann zwischen einem Bissen McChicken und einigen Pommes fällt mir ein, dass ich am nächsten Morgen zeitig aufstehen muss (die Erkenntnis kommt wahrhaftig spät) und suche mir ein Taxi, das mich nachhause bringt.

Zuhause geht mir – metaphorisch gesprochen – ein Teil des Abends nochmals durch den Kopf. Ich falle wie tot ins Bett und wache am nächsten Morgen wie gerädert auf. Mir ist übel, mir ist schwindlig, der Kopf tut weh, der Mundgeruch könnte als chemischer Kampfstoff gelten. Und dieser Durst! Das wird zwei Tage dauern, bis ich da „Brand aus“ melden werde können. Ich suhle mich in meinem Elend und überlege: ob es das wohl wert war? Soviel Leid, ich werde Tage brauchen, um mich davon wieder rückstandsfrei zu erholen. Also, seien wir ehrlich! Ganz ehrlich? Aus tiefster Überzeugung: ja!!! Das war es absolut wert!

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