Samstag, 3. Februar 2007

What have I done to deserve this?

Die Buddhisten glauben an die Macht des Karmas. Das ist in Wahrheit eine feine Sache, besagt es doch nichts anderes, als dass wir für gute Taten belohnt und für böse bestraft werden. Weiters funktioniert das Karma ähnlich einem Girokonto: man kann es ohne weiteres überziehen, braucht dann aber wieder viel Disziplin, um wieder auf Null bzw. ins Haben zu gelangen. Der Unterschied zum Girokonto ist, dass wir den Saldo ins nächste Leben mitnehmen. Aus diesem Grund achten die Buddhisten auch alle Lebewesen, denn es könnte in einem früheren Leben ihre Mutter gewesen sein. Und sie bemühen sich, Karmaschulden aus früheren Leben abzubauen und in diesem Leben keine neuen anzuhäufen. Seien wir ehrlich: wer möchte schon im nächsten Leben am unteren Ende der Nahrungskette herumvegetieren? Karma – die Schicksalsbuchhaltung.

Jeder Mensch hat auch von sich ein – zugegeben subjektives – Bild. Und wenn man ein bisschen in Selbstreflexion geübt ist und keine verzerrte Wahrnehmung von sich hat, kann man mit geübt-kritischem Blick recht gut einschätzen, ob der Karmasaldo wohl gerade im Soll oder im Haben ist. Rein subjektiv betrachtet nehme ich an, dass ich mit meinem Karma im Haben bin und noch dazu ein bequemes Guthabenpolster habe. Ich bin nett, hilfsbereit und neige weder zur Grausamkeit noch zur Bosheit. Subjektiv betrachtet müsste mein Karma sonnenhell strahlen. Und dennoch passieren ab und zu Dinge in meinem Leben, die mich über meinen Karmastatus nachdenken lassen…

Vor einigen Monaten war ich mit einer Freundin auf einem Konzert im Gasometer. Beim Eingang nehmen ihr die Security-Mitarbeiter ein Mini-Taschenmesser ab, das bestenfalls als Zahnstocher hätte fungieren können, geschweige denn als Waffe. Nach dem Konzert irren wir eine Zeitlang durch die Halle, um die Ausgabe der konfiszierten Gegenstände zu finden. Bis wir das Taschenmesser zurück und uns durch die Konzerthalle und den Gasometer zur U-Bahn-Station zurückgekämpft haben, dauert es schon eine geraume Zeit. Wir stehen am Bahnsteig und warten auf die nächste U-Bahn (die bei Konzerten zum Glück häufiger fährt). Endlich fährt ein Zug in die Station ein, alle drängen Richtung Türen. Vor mir steigt ein blonder Mann in den Waggon, und bevor ich über die Situation noch nachgedacht habe, entfährt mir ein „Was machst denn du hier?“. Der blonde Mann dreht sich zu mir um und ich sehe in die eisblauen Augen, die exakt die gleiche Farbe haben wie der Stein, der den Ring an meiner rechten Hand ziert. Diesen Ring habe ich im Sommer gekauft, am selben Abend habe ich diesen Mann kennen gelernt und am nächsten Morgen bin ich neben ihm in einer fremden Wohnung erwacht… Wir haben uns danach noch einmal getroffen, ein zweites Date war vereinbart, zu dem ist es dann aber nie gekommen.

Wir stehen zusammengepfercht in der U3 und ich verfluche mich insgeheim dafür, dass ich schon wieder mal meinen Mund nicht halten kann und dadurch – wieder einmal – in einer völlig absurden Situation gelandet bin. Und warum zum Teufel gibt es in der Wiener U-Bahn keine Löcher, in die man versinken kann oder Wände, hinter denen man verschwinden kann? Wie konnte darauf bei der Auftragsvergabe nur vergessen worden sein? Als ich für mich zu dem Schluss komme, dass diese Situation an Absurdität durch nichts überboten werden kann, straft mein One-Night-Stand meine Gedanken Lügen, indem er mich seiner Begleiterin (‚er hat doch gesagt, er ist nicht beziehungstauglich’ geht mir in dieser Sekunde durch den Kopf) vorstellt. Und sie sieht ja auch sehr nett aus und im Grunde meines Herzens weiß ich nun, warum er sich nicht mehr bei mir gemeldet hat. Ich zähle in Gedanken die Sekunden bis zur Station Landstraße, wo ich endlich aus diesem Waggon flüchten kann…

Am nächsten Tag, als der ärgste Schock verflogen ist, überlege ich, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass ich nach einem Konzert mit ca. 12.000 Besuchern, einem Irrweg durch die Halle und verstärkter U-Bahn-Frequenz bei der selben Waggontüre wie mein ONS einsteige. Ich komme zu dem Schluss, dass es wahrscheinlicher ist, einen Sechser im Lotto zu haben (ich sollte eindeutig Lotto spielen) und frage mich, was mir das Universum mit seinem sehr subtilen Humor mit dieser Aktion sagen will?

Das Dhammapada aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. meint folgendes: Wer andre Wesen quält, die auch nach Wohlsein streben, so wie er selbst, der hat kein Glück im nächsten Leben. Wer andre Wesen schont, die auch nach Wohlsein streben, so wie er selbst, der findet Glück im nächsten Leben.

Ich komme zu dem Schluss: es muss sich um schlechtes Karma handeln. Da ich mir in diesem Leben keiner Schuld bewusst bin, die diese Strafe des Universums rechtfertigen würde, gibt es nur eine mögliche Erklärung: ich muss aus meinen vorangegangenen Leben eine unglaubliche Karmaschuld mit mir herumschleppen. Wahrscheinlich war ich irgendwann mal Massenmörder, und die öffentliche Vierteilung war noch nicht genug Strafe. Demütig stelle ich fest, dass mir wohl nichts anderes übrig bleiben wird, als jeden Tag eine gute Tat zu begehen und zu hoffen, dass ich im nächsten Leben kein Regenwurm werde und dass ich in rund 5 Leben die letzte Karmaschuld abbezahlt haben werde…

Ich finde Karma echt scheiße!

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