Donnerstag, 20. September 2007

I should be so lucky

Glück. Es gibt kaum etwas, das wir uns so sehnlich wünschen wie Glück. Und das ist auch nur zu verständlich, schließlich bekommen wir von allen Seiten um uns herum suggeriert, wie wichtig, ja geradezu existenziell es ist, dass wir glücklich sind. Kinofilme, Musik und sogar die schnöde Werbung um uns herum, alle lachen, sind froh und so unerträglich happy, dass einem mitunter der leise Zweifel überkommt, ob es an der Welt an uns herum liegt, die so völlig verrückt geworden ist, oder ob schlichtweg wir das Problem sind…

Das Kernproblem ist ja, dass wir eigentlich nur eine sehr grobe Vorstellung davon haben, was uns glücklich macht. Ja, gewiss, keine Geldsorgen wären schon mal sehr hilfreich, aber ob das die ultimative Befriedigung bietet? Brauchen wir den uneingeschränkten Rückhalt in der Familie oder im Freundeskreis? Gesundheit? Nächtelangen tabulosen Sex? Oder ist es die Geborgenheit einer Beziehung, des liebenden Partners an der Seite, der uns das Gefühl gibt, dass wir durch ihn komplett sind, und der uns glücklich macht? Wir wissen es nicht. Und die Krux ist ja, dass wir wohl unser Unglück bemerken, wir aber keinen Leitfaden in der Schublade liegen haben, wie wir das Problem lösen könnten.

Ich muss gestehen, ich habe ein etwas ambivalentes Verhältnis zum Glück. Und zwar mag ich den Gedanken nicht, dass mein Glück fremdbestimmt ist, dass ich jemand anderes benötige, um glücklich zu werden – schlichtweg, dass Glück ein Zustand ist, den man nur durch eine zweite Person erlangen kann. Bedeutet dies doch, dass ich – solange ich allein bin – zwangsweise zum Unglücklichsein verurteilt bin.

Andererseits hat dieser Gedanke – fremdbestimmtes Glück – auch einen sehr verführerischen Teil: ich entbinde mich selbst von der Verantwortung, für mein Glück selbst zuständig zu sein, weil ich warte ja auf meinen Prinzen, der auf seinem Schimmel angaloppiert kommt und mich aus meiner Tristesse errettet. Und wenn der Prinz nicht kommt – dann kann ich mich ruhigen Gewissens zurück lehnen und sagen „i sog’s glei’, i woa’s net“. Denn schließlich ist es ja die Schuld des blöden Prinzen, wär’ der Trottel doch vorbei gekommen und hätt’ das getan, was man in solchen Situationen von ihm erwartet. Is’ ja wahr…

Ja, das wäre eine unendlich bequeme Vorstellung, aber dennoch: ich mag diesen Gedanken nicht. Denn wenn dieser Mensch und ich einander nicht finden, dann sind wir für den Rest unserer Tage traurig und trübselig, und das Universum mit seinem subtil-boshaften Humor reibt sich die Hände und kichert „hehe, wieder erfolgreich zwei Leben ruiniert!“.

Und wenn mein Glück schon von einem einzigen Menschen abhängig sein sollte, dann möchte ich gefälligst, dass das ein Mensch ist, auf den ich mich uneingeschränkt verlassen kann. Und dieser eine Mensch bin… ich! Stellt euch doch mal vor, wie unendlich praktisch das ist. Ich muss den Menschen, der mich glücklich macht, nicht suchen – denn er ist ja schon da. Und immer bei mir! Damit ich mich selbst glücklich machen kann, muss ich mich aber auch selbst ziemlich mögen, denn so selbstlos bin ich nicht, dass ich mir einen Hax’n ausreiß’, um einem Ungustl in meinen Augen zur Happyness zu verhelfen. Also muss ich mich aufmachen, um mich selbst zu entdecken, um festzustellen, ob diese Julia nun ein netter Mensch ist oder nicht, und ob sie es verdient hat, dass ich sie glücklich mache.

Ich weiß nicht, wie es anderen Menschen in diesem Bereich geht: ich war ziemlich streng zu mir. Und ich machte ganz gerne aus einer Mücke eine Elefantenherde, und drängte meine negativen Eigenschaften gerne in den Vordergrund, und stellte meine positiven Eigenschaften hintan. Mein Selbstbildnis war so, wie wenn ich in einen Zerrspiegel geschaut hätte, der meine guten Seiten massiv verkleinerte und meine negativen Charaktereigenschaften unnatürlich vergrößerte und auf das Bizarrste verzerrte. Ein kurzer Blick in diesen Zerrspiegel und ich schreckte mich vor mir selbst. Und fragte mich immer wieder: wenn ich all meine Fehler schon so deutlich sehe, dann müssen meine Mitmenschen diese Fehler ja noch schlimmer wahrnehmen. Umso erstaunter war ich immer wieder, wenn ich von meinen Mitmenschen sehr positives Feedback bekommen habe. Da war ich im ersten Schritt misstrauisch, denn die wollten sich sicher nur insgeheim über mich lustig machen. Als ich gemerkt habe, dass es den Leuten durchaus ernst war mit ihrer Meinung über mich, bin ich neugierig geworden. Was ist es, das meine Umwelt an mir so anziehend findet?

Ich habe für mich herausgefunden, dass es bei Charaktereigenschaften so ist wie bei allen Dingen im Leben: es hat alles zwei Seiten. Und ich kann natürlich über mich sagen: Julia ist stur, stolz und unerträglich ungeduldig. Wenn ich aber versuche, das ganze positiv zu formulieren, dann sage ich „Julia steht zu ihrer Meinung, hat Rückgrat und hat den Mut, rasche Entscheidungen zu treffen“. Hoppla, das klingt ja auf einmal ganz anders…

Außerdem habe ich festgestellt, dass die Umwelt gerne die positiven Eigenschaften wahrnimmt und die negativen eher hintanstellt. Und so denke ich, dass meine Freunde über mich sagen würden „die Julia ist ein g’rader Michl’, auf die man sich verlassen kann, auch wenn ihr manchmal alles ein bissl zu langsam geht“.

Natürlich hat man es selbst viel lieber, wenn man von den Mitmenschen mit Komplimenten überhäuft wird, wie schön, klug und liebenswürdig man doch ist. Ich glaube aber, dass es einen selbst sehr viel weiter bringt, wenn man sich selbst mal alle negativen Eigenschaften, die einen schon immer gestört haben, auf einen Zettel aufschreibt und sich überlegt, wie man diese Liste auf „positiv“ umformulieren kann. Ja, zugegeben, das kostet Mut, Schweiß und Tränen. Aber ich denke, dass man so einige sehr liebenswerte Seiten an sich selbst entdeckt. Und dass man auf diese Art und Weise lernen kann, sich selbst so zu akzeptieren, wie man ist. Und damit dann genug Motivation hat, um diesen tollen Menschen, den man da grad kennen gelernt hat, glücklich zu machen.

Mir wurde heute die Frage gestellt, ob man sich selbst nicht eher über die Beziehung, die man zu den Menschen um einen herum hat, definieren soll. Ja, die Menschen um uns herum sind wichtig, denn niemand ist eine Insel. Ich aber glaube, dass es im ersten Schritt wichtig ist, dass ich mich selbst achte, respektiere und liebe. Denn wenn ich mir selbst keine Achtung, keinen Respekt und keine Liebe entgegen bringe, wie kann ich dann von meiner Umwelt erwarten, dass sie das tut? Und ich habe nicht die Angst, dass ich – wenn ich von keinem anderen davon abhängig bin, dass er mich glücklich macht – zum überzeugten Single mutiere. Im Gegenteil, ich glaube, dass – wenn ich ausstrahle, dass ich mit mir selbst durchaus zufrieden bin – ich damit für die Menschen um mich herum anziehender wirke.

Es kann natürlich sein, dass ich mich in diesem Fall irre. Aber ich bin bereit, dieses Risiko einzugehen. Und als nächstes werde ich eine lange Liste all meiner negativen Eigenschaften anlegen – das finde ich nämlich unendlich spannender als so eine langweilige „pro“-Liste…
paranoia81 - 21. Sep, 17:44

also ich bin nicht unordentlich und chaotisch - nein ich improviesiere und hab das chaos unter kontrolle!... ich bin nicht aufbrausend - nein ich bin tempramentvoll!... ich bin nicht geizig - nein ich bin sparsam!!!... lach .. das macht spaß... ich glaub ich führe das demnächst fort... schöner text.danke

... lg para

drewshine - 21. Sep, 21:22

freut mich, wenn du dich in dem text wiedergefunden hast :-). aber du hast ja eh lauter coole eigenschaften - ich würde den geiz schon für ein paar monate nehmen, das würde mein girokonto sicher freuen *lacht*.

... und übrigens, meine meinung zum thema "unordentlich": wer ordnung hält ist bloß zu faul zum suchen *zwinker*

liebe grüsse,
julia
--lilith-- - 25. Sep, 17:15

danke :)
ich hab den text gelesen und musste lächeln. und jetzt hab ich das starke bedürfnis, dich (zumindest virtuell) zu umarmen. seit ich erkannt hab, dass ich nur dann frei bin, wenn ich die verantwortung über mein leben in die hand nehme, bin ich so viel glücklicher! und ich finds wunderschön, wenn ich seh, dass es anderen auch so geht.
*hach sagt*
bussal

drewshine - 25. Sep, 22:46

danke für die umarmung :-) *zurückknuddel*

ja, wir sollten ein mantra draus machen und damit die welt missionieren gehen - das würd spaß machen ;-)

busserl!
sarah_t - 29. Sep, 16:50

irks

a geh, die leut wollen eh nicht glücklich sein. und schon gar nicht wollen sie sich selbst um ihr glück kümmern müssen...

außerdem: wenn alle sich selbstverantwortlich um ihr glück kümmern... was macht mich dann noch besser als die? das is doch mein einziges glück in dieser bösen welt...
drewshine - 29. Sep, 17:10

*lacht* - deine argumentationslinie ist lückenlos, liebe sarah! - gut, wir gehen nicht missionieren, wir behalten unser wissen einfach für uns ;-) - soll der rest der welt schauen, wo's bleiben ;-)

busserl!

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